gefährdet

Hauptbahnhof München
München, Bahnhofsplatz
80335 München

Eingestellt von: Altstadtfreunde München
Eingestellt am: 11.11.2015
Geändert am: 18.07.2018

Bayerische Denkmalliste: eingetragen
Denkmalatlas / Aktennummer: D-1-62-000-3837, D-1-62-000-8549, D-1-62-000-643
Denkmal-Typ: Einzeldenkmal

Hauptbahnhof München

Monströse Planung gefährdet Münchner Hauptbahnhof

Münchens „Centralbahnhof“ wurde in den Jahren 1847-49 von Friedrich Bürklein als Kopfbahnhof im Rundbogenstil errichtet - ein mit Ziegeln verblendeter Bau mit Bögen und Gesimsen aus Sandstein. Bereits zwischen 1857 und 1860 erfolgten – ebenfalls unter Bürklein - erste Erweiterungen. Die neuen Kopfbauten im Norden und Süden wurden durch Arkadengänge mit mittig gesetzten Portalbauten an den Bestandsbau angebunden.

1876 bis 1884 wurden von Jakob Graff erhebliche Umbauten und Erweiterungen durchgeführt – allerdings unter weitgehender Schonung der vorhandenen Bebauung. Unter anderem entstand eine vierschiffig überwölbte, elektrisch beleuchtete Bahnsteighalle in Eisenkonstruktion mit an der Südseite angefügtem „Königspavillon“. Damit besaß München den größten und modernsten „Centralbahnhof“ dieser Zeit im Deutschen Reich. Anfänglichen Provisorien folgten 1913-1921 im Süden der „Holzkirchner Flügelbahnhof“ und 1921 der „Starnberger Flügelbahnhof“ an der Arnulfstraße. Zwischen 1942 und 1945 erlitt die gesamte Anlage teilweise erhebliche Schäden.

1949/1950 wurde unter Leitung von Heinrich Gerbl als eines der ersten Großprojekte der Bahn nach dem Krieg der Starnberger Flügelbahnhof im Stil des Neoklassizismus neu errichtet. Das zweigeschossige Empfangsgebäude mit kolossaler Pfeilerhalle und Freitreppe, Schalterhalle und Querbahnsteig mit Oberlichtern steht seit 2010 unter Denkmalschutz.

Zwischen 1948 und 1953 entstand unter partieller Einbeziehung erhaltener Teile der Bauten Bürkleins und Graffs das neue Empfangsgebäude des Hauptbahnhofs. 1955 bis 1960 blendete Heinrich Gerbl dem Gebäude die bis heute existierende, den Platz prägende Fassade vor. Das denkmalgeschützte Plattenrelief über dem Haupteingang stammt von Rupprecht Geiger. 1958-1960 wurde unter Leitung von Franz Hart die neue, heute ebenfalls denkmalgeschützte, Gleishalle erbaut.

Nach einer aktuellen Studie zu den Denkmaleigenschaften des Münchner Hauptbahnhofs (pdf) sind die Denkmaleigenschaften des Hauptbahnhofs und seines Umfelds bisher nicht annähernd angemessen in der Bayerischen Denkmalliste abgebildet. Insbesondere ist der nach dem 2. Weltkrieg wieder aufgebaute Hauptbahnhof insgesamt ein Baudenkmal, aber als solches nicht erfasst. Der näher definierte Umgriff ist ein – nicht in die Denkmalliste eingetragenes – Ensemble, das gilt insbesondere für den vollständig von Baudenkmälern umgebenen Bahnhofsplatz. Dem Hauptgebäude in seinen Überformungen kommen auch mehr oder weniger sämtliche der gesetzlichen Bedeutungskategorien zu. Schon allein die außerordentliche geschichtliche und die städtebauliche Bedeutung würden die Denkmalfähigkeit begründen.

Hauptbahnhof München - Fotos

Gefährdung

In die Bayerische Denkmalliste sind im Moment (Stand November 2015) nur folgende Objekte im Bereich des Hauptbahnhofs eingetragen: Das Relief an der Ostseite, die Gleishalle von 1958-60 und der Starnberger Flügelbahnhof, darüber hinaus das Postamt (jetzt Hotel in der Bayerstraße), der Eckpavillon des ehemaligen Holzkirchner Bahnhofs, die Hackerbrücke, das ehem. Verkehrsministerium (Teilstück), das ehem. Bundesbahn-Zentralamt, das ehem. Warenhaus Tietz, das ehem. Telegraphenamt und das ehem. Hotel Stadt Wien. Der Bahnhofplatz ist weder als Einzeldenkmal noch als Ensemble in der Denkmalliste verzeichnet.

Bekanntlich planen Stadt und Bahn gemeinsam die Ersetzung des bisherigen Hauptbahnhofs und des Starnberger Flügelbahnhofs durch ein viel kritisiertes Milliardenprojekt. „Ein Mega-Projekt, das mindestens doppelt so viel kostet wie Stuttgart 21“, so DB-Bauvorstand Rolf Reh. Das Projekt wird z.B. in dem „Leporello“ der Stadt München vom Oktober 2015 vorgestellt („Der neue Hbf und seine Vorplätze“, pdf); allgemeinverständlich werden in der Süddeutschen Zeitung vom 29. Oktober 2015 offene Fragen beantwortet. Bei allen Planungen, bei der Auslobung des Wettbewerbs und beim Preisgericht spielten Fragen des Denkmalschutzes ausweislich diverser uns vorliegender Unterlagen keine Rolle. Zum Thema Denkmalschutz erklärte Architekt Moritz Auer am 19. Oktober 2015, dass es bei der Ausschreibung keine Aufgabe gewesen sei, Teile des alten Gebäudes zu erhalten (siehe Bericht der Abendzeitung vom 20. Oktober 2015).

Den Neubauplanungen würden große Teile der erhaltenswerten Bauten zum Opfer fallen. So soll etwa der bereits jetzt in die Denkmalliste eingetragene Starnberger Flügelbahnhof komplett einer Neubebauung mit Hochhausturm weichen. Für die Bahn als Investor gelte Vertrauensschutz, heißt es von der Stadt, nachdem die Neubaupläne älter sind als der Eintrag des neoklassizistischen Gebäudes in die Denkmalliste. Die bis heute erhaltenen, mal deutlich sichtbaren, mal verborgenen Teile des historischen Bürklein-Bahnhofs und der Erweiterungsbauten unter Jakob Graff aus den 1870er/80er Jahren sollen ebenfalls restlos abgeräumt werden. Damit würden auch die markanten Kopfbauten an der Arnulfstraße und der Bayerstraße zerstört. Die den Bahnhofsplatz prägende, und durch jahrelange Untätigkeit in Mitleidenschaft gezogene Fassade des Hauptgebäudes, die 1955-1960 von Heinrich Gerbl geschaffen wurde, soll komplett verschwinden. Das denkmalgeschützte Plattenrelief über dem heutigen Haupteingang würde ebenso wie die markante schwarze Uhr Verwendung im Neubau finden. Einzig die denkmalgeschützte Gleishalle samt Grundig-Schriftzug bliebe nahezu unverändert.

Rettung

Aus denkmalrechtlicher Sicht ergeben sich klare Konsequenzen aus der historischen, baukulturellen und städtebaulichen Bedeutung der Bauten und des Ensembles. Die Denkmalfähig- und -würdigkeit hat zur Folge, dass das Ensemble, die bereits jetzt vom Landesamt für Denkmalpflege ermittelten Baudenkmäler mit ihrer Umgebung und schließlich seine sämtlichen ermittelten Bestandteile Denkmäler im Sinn des Denkmalschutzgesetzes sind und dass die entsprechenden Rechtsfolgen eintreten. Den Ensembles wird bekanntlich von den Gerichten der gleiche Schutz wie den Einzelbaudenkmälern zuerkannt.

Das bisherige Fehlen der Eintragung einzelner Denkmäler (wiederaufgebauter Hauptbahnhof) und des Ensembles „Komplex Hauptbahnhof München“ in der Denkmalliste ist unschädlich; die kraft Gesetzes lediglich deklaratorische Eintragung wird keineswegs infolge des bisherigen Säumens verwirkt und kann deshalb jederzeit nachgeholt werden. Die Denkmaleigenschaft hat die Erhaltungs- und Verfahrenspflichten nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz zur unausweichlichen gesetzlichen Folge. Die Denkmaleigenschaften auch des wiederaufgebauten Hauptbahnhofs und des Ensembles sind als materiellrechtliche Vorgaben in allen Planungs-, Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren zu beachten. Darüber hinaus sind die Denkmaleigenschaften nach dem Umweltverträglichkeitsgesetz zu beachten. Gemäß Baugesetzbuch sind sie auch bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen. Im Planfeststellungsverfahren nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Dies gilt uneingeschränkt auch für die Denkmaleigenschaften des Hauptbahnhofs und des Ensembles Komplex Hauptbahnhof.

Die Altstadtfreunde München setzen sich für eine transparente Bürgerbeteiligung und ergebnisoffene Diskussion über das umstrittene Projekt ein. Sie fordern Lösungen, die auch Aspekte des Denkmalschutzes und die Besonderheiten des Ortes berücksichtigen. Die Initiative Münchner Architektur und Kultur (AKU) lehnt den Entwurf für den Neubaus als „einfallslos und monoton“ ab. Die aktuelle Planung schädige das Stadtbild, so die AKU; sie warnt vor einer städtebaulichen Fehlplanung, die den Bahnhofsvorplatz mit den noch vorhandenen historischen Bauten entstellen würde. Und die „Aktion gegen den faulen Zauber“ stellt mit Blick auf den Bestand die Frage „Muss das alles weg“?“. Der Architekturhistoriker Dr. Winfried Nerdinger forderte bereits 2011 in einem Interview, die „ausgesprochen gute und bedeutsame Architektur“ des heutigen Bahnhofs zu erhalten.

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